
ЮЛИУС ЭВОЛА
последний кшатрий темного
века, вертикальный аристократ, тамплиер великой стены
Julius Evola
DAS DOPPELANTLITZ DES NATIONALISMUS
Es ist Tatsache, daß der Weltkrieg
den Prozeß der Herausbildung von Nationalismen innerhalb wie
außerhalb Europas nicht nur erschöpft, sondern geradezu seiner
akuten Phase zugeführt hat. Daher hat das Verlangen, den Bedeutungsgehalt
dieses Geschehens zu erfassen, seine volle Berechtigung.
Welche Bedeutung hat der heutige Nationalismus im Rahmen einer Kulturphilosophie?
Unserer Überzeugung nach verlangt diese Frage folgende Lösung:
Im modernen Nationalismus bestehen zwei gedanklich getrennte, ja
entgegengesetzte, jedoch häufig miteinander kombinierte Möglichkeiten,
deren eine als Degenerations- und Rückbildungsform zu bewerten ist,
während die andere einen Weg nach höheren Werten und Vorspiel der
Neugeburt darstellt.
Im folgenden Aufsatz soll versucht werden, diese Andeutung in allen ihren
Folgerungen auseinanderzusetzen.
Phänomene gleich dem Nationalismus, lassen sich deuten nur im großen
Rahmen eines auf kritischen Werturteilen beruhenden historischen Gesamtbildes.
In einem solchen Bild erweist sich als auffallend: das allmähliche
Abwärtsgleiten der politischen Macht von Stufe und Stufe innerhalb jener
Werthierarchie, in deren Rahmen in den antiken Kulturen die qualitative
Differenzierung menschlicher Möglichkeiten sich vollendet hatte. Der
Vorgang läßt sich von der Schwelle der "historischen" Zeit bis
auf unsere Tage verfolgen. In der politischen Geschichte des Abendlandes
hat er seine besondere Bedeutung. (Die Idee der Rückbildung der Kasten
wurde zuerst in unserem Buch "Imperialismo Pagano" (Rom, 1927) betont.
Eingehender behandelt haben wir sie wiedergefunden in den - bisher
unveröffentlichten - Darlegungen des italienischen Abgeordneten V.
Vezzani. Endlich hat René Guénon diesen Ideen
eine systematische und endgültige Form verliehen in seinem Werk:
Autorité spirituelle et pouvoir temporel (Paris, 1929).)
Bekanntlich sprechen schon die ältesten Überlieferungen von einer
Sinnähnlichkeit des politischen mit dem menschlichen Organismus. In
jeder höheren organischen Erscheinungsform bestehen aber in hierarchischer
Bindung vier unterschiedliche Funktionen: an der unteren Grenze
die noch undifferenzierten, dumpfen Lebenskräfte - darüber erheben
sich bereits die organischen Austauschfunktionen -, die ihrerseits in jenen
Willen münden, der den Gesamtkörper im Raume bewegt und
leitet; über allen steht die Machtfähigkeit des Intellekts und
der Freiheit, gleichsam als Mittelpunkt und Leuchte des ganzen Organismus.
Traditionen, die im Staate statt einer notgeborenen Zufälligkeit ein
höheres vergeistigtes Lebe-Wesen erblickten, verlangten eine ähnliche
Trennung und hierarchische Abstufung in Stände und Kasten. Die Reihe:
formlose Vitalität, organische Austauschfunktion, Willen und Geist spiegelt
sich wieder in den vier traditionellen Kasten der Diener (Arbeiter),
der Kaufleute und Ackerbauer, der Krieger, der Träger
königlich-priesterlicher Macht. Eine Kaste war
rangmäßig über den anderen aufgebaut: der Massenmensch stand
unter der Kontrolle und Herrschaft derer, welche in Verkehr und Handel
natürliche wie wirtschaftliche Quellen zu verwerten wußten. Diese
letzteren wiederum, geführt von der Autorität des Kriegeradels,
scharten sich um den einen, der in seiner beherrschten Vollendung gleichsam
Zeuge stand für eine über das menschliche hinausführende
Möglichkeit.
Die antike Welt des Orients (Iran und Indien) und des Fernen Ostens kannte
einen ähnlichen Typ sozialer Organisation, dem sich Ägypten,
Griechenland und Rom teilweise näherten. In den politischen Lehren eines
Plato und Aristoteles kam es zur Offenbarung verwandten Geistes, der dann
endlich in der katholisch-feudalen Welt des Mittelalters zum letzten Mal
aufflackerte.
Wichtig ist es festzustellen, daß eine solche Organisation einem
qualitativen Kriterium entsprach und Zeugnis ablegt von der
Herausbildung höherer Interessen- und Persönlichkeitsformen. Im
alten Osten hießen die höheren Kasten die der "Wiedergeborenen"
- dwijas-, bildeten also eine geistige Elite. Kriegerstand und Adel besaßen
aber nicht so sehr eine politische wie die Bedeutung eines schon "sakralen"
Standes, was der Fall war auch im mittelalterlichen Rittertum. Jegliche
Rangordnung, die auf einer wirtschaftlichen Tätigkeit, auf Arbeit,
Industrie, auf Verwaltung des Gemeinvermögens usw. beruhte, war in die
beiden unteren Kasten verbannt, jenen Funktionen gleich, die im
menschlichen Organismus den körperbedingten Lebenserfordernissen dienen.
So spiegelte sich in der Hierarchie der vier Kasten das stufenmäßige
Emporsteigen der Individualität durch Hingebung an höhere Tatformen
als die des unmittelbaren Nur-Lebens. Im Gegensatz zum antlitzlosen Kollektivum,
das nichts als "leben" will, stellte die zweite Kaste - die der Organisatoren
der Arbeit und des Reichtums - schon den Beginn eines höheren Typus,
einer "Person". Aus dem Heroismus der Kriegerkaste und dem Ethos der Aristokratie
- dem dritten Stande - ersteht aber das Vorgefühl eines "Mehr-als-Lebens",
eines Wesens, das sich selber sein Gesetz gibt, jenseits der naturhaften,
instinktgebundenen, kollektivistischen und utilitären Triebfedern. Wenn
im Urbegriff des Führers sich Asket, König und Priester
zu einer Personalunion verschmelzen, so erfüllt sich darin die universelle
und fast übernatürliche Persönlichkeit, der vollendete Ausdruck
dessen, was im Alltagsmenschen nicht die Kraft findet, sich von der Welt
des Zufälligen zu lösen und "Selbst" zu sein.- In dem Maße,
als die Herrscher, die vollendeten Individuen, die Achse des ganzen sozialen
Organismus bildeten, war also dieser Organismus gleichsam ein vom Geiste
regierter Körper; zeitliche Macht und geistige Autorität waren
eins; die Hierarchie war legitim im unbedingten Wortsinne.
Soweit das uns als Ausgangspunkt dienende Schema, dessen idealtypischer Wert
selbstverständlich unabhängig ist von seinen zeit- und raumbedingten
Erscheinungsformen, die mehr oder weniger seinen Sinn wiedergeben können.
Auf solcher Grundlage aber wird uns der andauernde "Verfall" der Macht im
historischen Zeitalter zur furchtbaren Tatsache.
Die Ära der "geheiligten Könige" - gleicherweise Herrscher- und
Priestergestalten - steht schon an der Schwelle der "mythischen" Zeit. Die
Machtgipfel werden abgetragen. Von ihren höchsten Vertretern steigt
die Gewalt herab zur nächstniedrigen Stufe - die der Kaste der
Krieger. Es bleibt der profane Herrschertyp eines Monarchen als
Heerführer, Richter oder Gesetzgeber.
Zweite Stufe des Verfalls: die großen europäischen Monarchien
gehen unter. Die Aristokraten degenerieren. Der Versuch des Heiligen
Römischen Reichs scheitert. Durch Revolutionen (England und Frankreich)
und Konstitutionen werden die Könige, dem "Volkswillen" gegenüber,
zu kraftlosen Überbleibseln. Im Bereiche der parlamentarischen,
republikanischen und bürgerlichen Demokratien bezeichnet die Formung
kapitalistischer Oligarchien den neuen verhängnisvollen Schritt, mit
dem die politische Macht von der zweiten zu der heutigen, der
dritten Kaste - der des Kaufmannes - entsprechenden Stufe
niederschreitet.
Die Krise in der bürgerlichen Gesellschaft, die Heraufkunft des
"Proletariats", der Despotismus der sich zu einer rein kollektiven,
wirtschaftlichen und internationalen Einheit konstituierenden Masse
kündigen uns das nahendes Ende an. Die Macht kommt auf die
letzte Kaste: derer, die ohne Namen und ohne Antlitz gehen. Materie,
Metall und Zahl werden Standard. Die Lebensart der Knechte - die Arbeit -
wird zur Religion. Die Erde kennt keinen Himmel mehr. Unbedingte Herrschaft
des Unpersönlichen und Mechanischen.
Vergleichsweise: Jemand kann die Spannung des Geistes (sakrales Königtum)
nicht mehr in sich ertragen: nicht einmal die des Willens - der Kraft, die
ihm den Körper bewegt (Kriegerstand): er läßt sich sinken.
Dann aber erhebt er sich magnetisch wieder, Körper ohne Seele, unter
dem Einfluß fremder Kräfte, die von den unbewußten
Schichten der bloßen Vitalität ausgehen (Empörung des letzten
Standes, Dämonie des Kollektivum).
Es ist die Zeit, sich von der Illusion des "Fortschrittsmythus" zu befreien,
der Wirklichkeit die Augen zu öffnen. Es ist Zeit, das furchtbare Schicksal
geistiger Zerrüttung, das über dem Abendlande lastet, zu erkennen:
ein Schicksal, das heute seine letzten Früchte reift.
Im Kern des dargestellten Involutionsprozeß steht die
Standpunktsverschiebung vom Individuellen zum Kollektiven, im engsten
Zusammenhang mit dem angedeuteten Rückgange von jener Berufung, die
den höheren Kasten ihre rechtsmäßige hierarchische
Autorität sicherte, zu den Standesinteressen eben der unteren Kasten.
Der Mensch ist frei nur in einer unbedingten Handlung. Dies ist der Fall
in den beiden Symbolen einer reinen Aktion (Heroismus) und einer reinen
Erkenntnis (Askese und Kontemplation), die durch ein aristokratisch gerichtetes
Regime ihre volle Geltung erlangen können. Durch sie eröffneten
die beiden oberen Kasten dem Menschen Wege, auf daß er teilhabe an
jener Ordnung des "Überweltlichen", in der allein er sich selber
angehören und den wesentlichen und universalen Wert der Persönlichkeit
erfassen kann. Werden diese höheren Interessen vernichtet in der
ausschließlichen Konzentration auf praktische und nur-zeitliche Ziele,
oder gehen sie auf in wirtschaftlichen Bestrebungen und den unteren Klassen
eigentümlichen Bedürfnissen, so desintegriert und dezentralisiert
sich der Mensch, er gibt sich Gewalten pries, die ihn sich selbst entreißen
und ihn den irrationalen und vorpersönlichen Energien des Kollektivlebens
überantworten. Über jene Mächte sich zu erheben, galt früher
als Kampfziel und Sinn jeder wahrhaft höheren Kultur.
So gewinnt das Kollektivum in den sozialen Formen der letzten Zeiten immer
mehr an Übergewicht, geht fast so weit, den Totemismus der
primitiven Gemeinschaften zu neuem Leben aufzurufen. Nation, Rasse, Partei,
Gesellschaft und Menschheit tragen heute den Stempel eines mystischen
Persönlichseins; sie verlangen vom Einzelnen, der ihnen als Teil
zugehört, Hingabe und unbedingte Unterwerfung. Gleichzeitig wird im
Namen der "Freiheit" Haß gesät gegen alle jene Höherstehenden
und herrschenden Persönlichkeiten, die allein ein begründetes und
heiliges Recht auf Unterwerfung und Gehorsam von Seiten der Einzelnen ansprechen
dürfen. Diese Tyrannis der Gruppe beschränkt sich nicht nur auf
die politischen und sozialen Lebensäußerungen des Einzelnen: sie
maßt sich moralische und geistige Rechte an; Kultur und Geist sollen
als uninteressierte Betätigungsweisen und Wege zur Erhöhung des
Menschentums im Einzelnen aufhören, um abhängige Organe des
weltgebundenen Kollektivwesens zu werden. Laut verkündet sich so eben
eine Moral, die den Sinn und Wert des Geistes allein im Dienst für den
Körper erblickt. Daß der Mensch, bevor er seinen
Persönlichkeitswert, sein Ich erfühlt, sich als soziale Gruppe,
Partei oder Nation erleben soll - das ist eine der besonderen und bezeichnenden
Forderungen der letzten ideologischen Umsturzbewegungen: damit kehrt das
nämliche Verhältnis wieder, in dem einst der Primitive zu dem
Totem seines Stamms oder Clans stand.
Im Wiedererwachen des russischen Volkes, im Glauben des Bolschewismus
an seine prophetisch-universelle Mission, bestätigt sich der Sinngehalt
jenes Rückfalls in primitive soziale Zustände, der sich schon in
verschiedenen zeitgemäßen Formen beobachten läßt. Mit
Recht wird die russische Revolution angesprochen als endgültiger Aufbruch
einer barbarisch-asiatischen Rasse gegen die 200jährigen Versuche des
Zaren, Rußland nach europäischem Vorbild zu zivilisieren. Und
ebenso richtig ist die Ansicht, Bolschewismus fließe folglich spontan
mit allen den Zersetzungselementen der europäischen Gesellschaft von
heute zusammen. Bolschewismus ist nichts anderes als in moderner Gestalt
wieder auflebender urslawischer Volksgeist: dieses traditionslose Volk in
seinem sozialen Mystizismus, der Verschmelzung von Geistigkeit und Sinnlichkeit,
dem Vorherrschen des Pathos gegenüber dem Ethos, des Triebhaften über
das Intellektuelle, weist zurück auf vorpersönliche Formlosigkeit
und kommunistische Promiskuität, wie sie eben den Primitiven eigen sind.
Die Erschütterungen des Weltkrieges haben diese Elemente wieder in Freiheit
gesetzt: für die noch gesunden Glieder Europas furchtbare Keime innerer
Zersetzung. Die "Kultur" der Sowjet verkündet das "Zeitalter des
Proletariats", widmet sich zu diesem Ziel der Vernichtung der
Persönlichkeit und Freiheit, die als "Aussatz", als "Gift bürgerlicher
Gesellschaft" und "Anfang allen Übels" betrachtet wird. Die Sowjet fordern
nicht bloß die Aufhebung des Privateigentums, sie verlangen bekanntlich
die Abschaffung jedes freien und unabhängigen Gedankens und aller "auf
das Übernatürliche oder auf irgendwelche den Arbeitsklassen fremde
Interessen gerichteten Beweggründe" (Lenin); ihr Ziel ist die Heraufkunft
des "allmächtigen Masse-Menschen", der allein leben und jeder Lebens-
und Denkform des Einzelnen Gestalt geben soll. Am Bolschewismus modern ist
nur seine "Methode": Mechanisierung und Rationalisierung sind die
vorzüglichsten Mittel, um in einer universalen, auf bloß
wirtschaftlicher Basis aufgebauten Volksherrschaft den - in der slawischen
Seele ja schon mystisch vorbestehenden - "Masse-Menschen" zu verwirklichen.
So geht die Kultur der Sowjet bewußt einer anderen Rasse entgegen,
die sich gleichfalls eine universale Mission der Welterneuerung und den Anspruch,
das letzte Wort der Kultur auszusprechen, anmaßt: Amerika.
In Amerika verrät der Rückbildungsvorgang nicht die Urkraft eines
im kulturlosen Zustande beharrenden Volkes. Hier wirkt vielmehr der starre
Determinismus, kraft dessen alle Menschen, sobald sie sich von der Form des
rein Geistigen zu dem Verlangen nach den taggebundenen Dingen gewandt haben,
ipso facto aufhören, sich selbst anzugehören, und zu Teilen jenes
irrationalen Kollektivwesens werden, das sie nicht mehr zu beherrschen
vermögen. Die Seligsprechung der Welt, die Laisierung des Sakralen,
der die protestantische Häresie die Tore geöffnet hat, haben Amerika
in seinen heutigen Zustand gebracht. Indem die Vereinigten Staaten das Ideal
Europas, die Vorherrschaft über die Welt, tatsächlich erreichten,
haben sie - wohl dessen unbewußt - Macht, Gesundheit, Aktivität
und Persönlichkeit völlig ins Praktische und Physische umgedeutet
und dadurch eine noch viel gefährlichere Form der Barbarei geschaffen.
Hier gilt der Asket als Tagedieb, als zeitungemäßer Schmarotzer,
als "überflüssiges Mitglied der menschlichen produktiven Gesellschaft";
den Krieger hält man für einen gemeingefährlichen und
überspannten Menschen, die humanitär-pazifistischen Vorkehrungen
sollten es sich angelegen sein lassen, diesen Stand abzuschaffen, um ihn
- vielleicht - durch "boxeurs" oder "detectives" bzw. "cow-boys" zu ersetzen.
Vollendeter Typ, geistiger Kämpfer und Wettsieger ist dagegen der
"arbeitende, produktive Mensch"; keine Art der Tätigkeit, auch nicht
die des Verstandes, hat Geltung, wenn sie nicht unter dem Namen "Arbeit"
- "produktive" Arbeit - auftritt um im "Dienste der Gesellschaft" steht.
Eine solche Auffassung zeigt also unwiderleglich, daß eine so beschaffene
"Kultur" eben im Typ des letztrangigen, aus der antike geläufigen
Standes - dem der Arbeitssklaven - aufgipfelt. Auch hier hört
der Mensch auf, indem er auf seine geistige Persönlichkeit verzichtet
hat, irgendwelche Bedeutung zu haben, es sei denn im Rahmen jener "Pflichten",
welche ihm von der vom Fieber des Leistens, des "Realisierens", des Sich-Bewegens
vorwärtsgepeitschten Kollektivgemeinschaft auferlegt werden. Nur
widerrechtlich können aber solche "Pflichten" - wie in den neuesten
Ideologien moralische, ja religiöse Geltung beanspruchen; die
Standardisierung der Seele selbst und ihre Auflösung in eine verflachte
Allgemeinheit und ins allbeherrschende Ökonomisch-Mechanische sind das
offenbare Ziel. Dabei ist sogar die Fähigkeit, den Grad dieses Verfalls
zu erkennen, ausgelöscht.
Das sind die Formen, in welchen sich der Kreis beschließt, der Niedergang
vervollständigt. Rußland und Amerika sind zwei gleichwertige
Beispiele, zwei nämliche Gesichter ein und derselben Sache. Von der
früher so augenscheinlichen Ähnlichkeit mit dem menschlichen
Organismus, in dem sich im Glanz und der Autorität der höheren
Kasten entwickelnden Staate, ist der soziale Körper nun zum Typ eines
untermenschlichen Rumpfgebildes herabgesunken. Heraufkunft des antlitzlosen
Tieres. So sind uns alle Elemente gegeben, um in vollstem Ernste an das Problem
heranzutreten: Welches ist die wahre Bedeutung des Nationalismus in der
modernen Welt?
Nach all dem Gesagten ergibt sich bereits folgender Typ eines klar erkennbaren
Nationalismus: es ist jener Zustand, welcher dem internationalen Gebilde
eines wirtschaftlich-proletarischen Kollektivismus unmittelbar vorausgeht.
Wichtig in diesem Nationalismus ist nicht so sehr die Herausbildung eines
besonderen Nationalbewußtseins: vielmehr die Tatsache, daß
die "Nation" zur Person, zu einem selbständigen Wesen geworden ist.
Zum ethischen Wert wird eben die Unfähigkeit erhoben, jene Bande des
Bodens und des Blutes zu überwinden, die nur die naturbedingte und
infraintellektuelle Seite des Menschen angehen - eben die Unmöglichkeit
des Einzelnen, sich einen Sinn außerhalb der Kollektivität und
der gegebenen Überlieferungen zu erringen. Die bloße Tatsache
des "National"-Seins verleiht hier allen Erscheinungen den Strahlenkranz
mystischer Unverletzlichkeit, garantierender und unbedingten Respekt fordernder
Macht. Dieses ethnisch-infraintellektuelle Element erkennt nicht nur
höheren Prinzipien keinerlei Autorität zu, unterstellt sich vielmehr
dieselben; an erster Stelle steht die "Nation" - dann kommen in Unterordnung
erst Wirklichkeit, Wahrheit und Kultur. Gewisse nationalistische Gruppen
gehen jedoch noch darüber hinaus: sie verwerfen jedes unbeteiligte und
sachliche Urteil als abstrakt; verlangen, man solle auch in Fragen der
Wirklichkeit, Wahrheit und Kultur nicht von der nationalen Überlieferung
und den politischen Interessen absehen. Daher sprechen sie auch von "unserer"
wissenschaftlichen, philosophischen und sogar religiösen Überlieferung
und äußern gegen alles, was nicht "von uns" ist, was "der Nation
nicht unbedingt förderlich" ist, eine vorgefaßte Geringschätzung
oder zum mindestens gleichgültige Zurückhaltung. (Wenn wir von
"Tradition" im negativen Sinne sprechen, beziehen wir uns nur auf jene Auffassung
derselben, die kein intellektuelles - also überethnisches - Element
in sich birgt. In diesem Falle aber bedeutet - um mit Chesterton
zu sprechen - "Tradition" bloß die Ausdehnung des demokratischen
Mehrheitsrechtes über das Geschichtliche: das totemistische Recht der
Toten steht über den Lebendigen, ein Recht, das sich auf die Tatsache
stützt, Tote derselben Rasse zu sein.)
Gleichwie man keiner höherstehenden Aktivität gestattet, sich frei
zu entfalten und ein über den ethnischen Voraussetzungen stehendes Dasein
zu schaffen, so ist auch im Rahmen eines solchen Nationalismus kein Raum
und keine Wertschätzung für eine höherentwickelte
Persönlichkeit, sie sei denn ein "Exponent" der Nation. Im Zeitalter
der Revolutionen, im Niederbruch der aristokratisch-feudalen Regierungssysteme
geboren, drückt dieser Nationalismus daher den reinsten "Massen-Geist"
aus - ist er eine Variante der demokratischen Unduldsamkeit, einer Intoleranz,
die sich gegen jeden Führer richtet, der nicht ausschließlich
"Diener des Vaterlandes" und Organ des "Volkswillens" ist und in allem und
für alles vom Gutheißen desselben abhängt.
Ohne Schwierigkeit erkennen wir also, daß zwischen dem Nationalismus
und dem Anonymat nach russischer oder amerikanischer Art im Grunde nur ein
Gradunterschied besteht: im ersten Falle sinkt der Einzelne wieder in den
ethnisch-nationalen Urgrund zurück; im zweiten Falle aber verschwinden
die Unterschiede der ethnischen Urgruppen, es entsteht eine weitläufige
Kollektivisierung, eine Zersetzung in das Element Masse. Um von einem zum
anderen Grade des Kollektivismus zu gelangen, genügt es, daß an
Stelle der Rassenmystik die Idee eines reich wirtschaftlich-mechanischen
Typs gesetzt wird. Es liegt am unpersönlichen Charakter einer solchen
Struktur, wenn letzte Reste des Qualitätsunterschiedes tatsächlich
ausgerottet werden: durch die Rationalisierung und Mechanisierung des
öffentlichen Lebens werden virtuell dem vaterlandslosen "Massenmensch"
die Tore der Zukunft erschlossen. - Da nun die "Kultur" von heute eben auf
dem Standpunkte wirtschaftlich-mechanischer Machtentfaltung steht, da auf
diese Ebene mehr oder weniger alle Werte und
Größenmaßstäbe zurückgeführt werden, ist
vielleicht der Schritt zum Übergang von dem einen zum anderen Grade
nur mehr eine Frage der Zeit.
Und doch fragt man: kann dem Nationalismus auch noch eine andere Bedeutung
innewohnen? Wir glauben diese Frage bejahen zu dürfen. Wir
haben doch behauptet, der Nationalismus erscheine als Übergangsform
in der Epoche der zur politischen Herrschaft gelangten dritten Kaste, jedoch
vor der endgültigen Heraufkunft des letzten Standes. Eben solche
ideengeschichtliche Lage befähigt den Nationalismus, Träger eines
doppelten Sinnes zu werden. Als Übergangsform kann er nämlich sowohl
in der Richtung des Verfalles wie auch in der Richtung eines Wiederaufbaus
vorgefunden werden. Angenommen, der Rückbildungsprozeß habe sein
Ende erreicht im Sinne einer amerikanisierten bzw. sowjetisierten Welt, so
würde, wer noch die Kräfte für ein Wiederauferstehen spürt,
in dem neuen Aufstieg wieder den Nationalismus antreffen - doch einen ganz
andersgearteten Nationalismus! Wie die von der Physik "vektorial" genannten
Größen, läßt sich auch das Phänomen des Nationalismus
nur auf der Grundlage eines Richtungsfaktors bestimmen: Die erste
Form des Nationalismus liegt in der Richtung nach dem in dem Grad der "Nation"
verwirklichten Kollektivum. In der zweiten verläuft die Richtung dagegen
vom Kollektivum hinüber nach dem Wiederaufbau einer neuen
aristokratischen Hierarchie.
Die Voraussetzungen dieses zweiten Nationalismus lassen sich in vortrefflicher
Weise mit den Worten Paul de Lagardes andeuten: "Eine einzelne Nation
steht höher als die Menschheit, und jedes einzelne Mitglied einer Nation
ist mehr - das heißt, soll mehr sein - als nur national, mehr als nur
das, was jeder Nationsgenosse als solcher ist: in der Nationalität tritt
zur Menschheit ein sehr wertvolles x; und in der Einzelpersönlichkeit
zu diesem wertvollen x ein noch viel wertvolleres y hinzu." (P. de Lagarde,
Deutsche Schriften, B.I, S. 163. Vgl. S. 423: "Mit der Idee der
Humanität müssen wir brechen: denn nicht das allen Menschen Gemeinsame
ist unsere eigenste Pflicht, sondern das nur uns Eignende ist es".) Es handelt
sich also um eine Hierarchie, die vom Abstrakten zum Konkreten schreitet;
das Abstrakte ist das Kollektivum, das Allgemeine - das Konkrete ist das
differenzierte Individuelle. Im Vergleich zur formlosen Masse "Menschheit"
kann das Wiederauferstehen eines differenzierten Nationalbewußtseins
schon einen ersten Fortschritt darstellen. Das Nationalbewußtsein,
der ethnische Stamm soll aber der Persönlichkeit gegenüber wiederum
nur formlose Materie werden. Die Persönlichkeit, die zu sich selbst
findet, sich selbst vollendet nach höheren, über das blutbedingte
hinausreichenden Lebensformen, wandelt jene Materie vom Chaos zum Kosmos,
von der potentia zum actus. Das Verhältnis verkehrt sich so ins ein
Gegenteil: die Nation ist nicht mehr der Zweck des Individuums - das Individuum
als geistig-aristokratische Persönlichkeit wird dagegen der Zweck der
Nation. Die Nation kann wohl als ihre Mutter gelten: aber sie hat dabei
bloß die Bedeutung der stofflichen Bedingtheit des Bodens gegenüber
einem Baume, dessen obere Teile sich vom Boden losreißen und nach den
freien Höhen emporsteigen.
Damit ist der Hauptpunkt des Unterschiedes geklärt. Zur endgültigen
Klärung haben wir uns noch auf die qualitative Bedeutung der
alten Kastenhierarchie zu berufen. Ein Nationalismus, der keine Anbahnung
mechanisch-kollektivistischer Zustände, sondern Überwindung solcher
Zustände und Vorspiel des Wiederaufbaus sein soll, ist möglich
nur auf der Grundlage folgender Forderung: unbedingte macht und unmittelbare
Autorität für eine neue, über all das Praktische, "Soziale"
und Wirtschaftliche hinausgehende Wertordnung. Sonst kann keine wahre Hierarchie
bestehen, und ohne Hierarchie ist die Rückkehr zu einem höheren,
vergeistigten Staatstyp unvollziehbar. In der Tat bedeutet Hierarchie nicht
bloß Unterordnung, sondern Unterordnung des Niedrigeren unter das
Höhere. Niedrig ist aber all das, was sich an praktischen, interessierten,
weltlichen Maßstäben messen läßt; höher ist, was
die Art reiner und uninteressierter Tat ausdrückt. Jedes andere Kriterium
ist entweder illusorisch oder verderblich.
"Illusorisch" ist der Hierarchiegedanke im Rahmen des
Bloß-Ökonomischen, doch auf der Grundlage von Verschiedenheiten
des Geldes, der Geschicklichkeiten, des politischen oder amtlichen Ranges,
der "Klasse" im marxistischen Sinne usw. Nur sobald Interessen entstehen,
die entschieden über das Gesamtgebiet des Ökonomischen hinausweisen,
ist das Prinzip wahrer Hierarchie gegeben. Wir müssen von der Voraussetzung
ausgehen, daß unser Lebenszweck nicht in der Entwicklung der Ökonomie
besteht, sondern jede Ökonomie Mittel zum Zweck ist. Der Zweck ist aber
die innere Erhebung, die Entfaltung der Persönlichkeit im integralen
und "überweltlichen" Sinne.
Hierarchie ist Entstellung, wenn sie die Versklavung des
Nichtpraktischen unter das Praktische ausdrückt: etwa wie ein Körper
der den Geist zu seinem Organe gestaltet (ungefähr dies meint Julien
Benda mit der "trahison des clercs") Aber in dem auf allen
Gebieten - sogar auf dem des Wissenschaftlichen - herrschenden "Pragmatismus",
im Kleingeld-Machiavellismus und allgemeinen Arrivismus des heutigen Tags
bestätigt sich eben diese Entstellung in der Mehrheit der Fälle.
- Nichts ist aber widerhierarchischer - ja anarchistischer - als
solche Typen scheinbarer "Hierarchie".
Wir hatten uns die Aufgabe gestellt, die beiden gegensätzlichen
Möglichkeiten des Nationalismus zu ergründen. Eine Untersuchung,
inwieweit die verschiedenen, heute in den europäischen und
außereuropäischen Staaten herrschenden und kämpfenden
Nationalismen die eine oder die andere Möglichkeit verkörpern,
fällt aus dem Rahmen vorliegender Betrachtung heraus.
(aus: Europäische Revue, 1932)
Эвола
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